Gestern war grosser Zügeltag. Die Sofas, Tische, Hocker und die Lounge-Wohnwand mussten von Neuendorf nach Niederbuchsiten „gewuchtet“ werden. Bei dieser Hitze, ging das nicht ohne einige Schweisstropfen. Aber für euch machen wir das doch gerne.
Das ganze Szenario erinnerte mich an einen Text von Max Goldt, der schräger nicht sein könnte. Doch lest selber.
Drei bettlägerige ukrainische Tingeltangeltänzerinnen
Zwölf Variationen eines Möbelpacker Witzes
Es gibt Witze, die vorne besser als hinten sind. Da es für gesetzmässig gehalten wird, dass die Schlusspointe den Höhepunkt eines Witzes bildet, werden solche Witze vom Publikum nicht recht geschätzt. Ich halte dies für einen Fehler.
In einer Alt-Berliner Humor- und Anekdotensammlung fand ich einen Witz, der wie folgt beginnt: “In einer Strassenbahn erregt eine Frau mit einem grossen, feuchten Kranz das Missfallen ihrer Nachbarin.” Was die molestierte Mitreisende nun zu der Frau mit feuchtem Kranz sagt, ist leider zu langweilig, um hier wiedergegeben zu werden. Es ist schliesslich vergnüglich genug, sich auszumalen, wie eine frau mit einem grossen, feuchten Kranz in der Strassenbahn sitzt!
Man sollte sich jedem Witz ernsthafte Gedanken machen, ob es nicht amüsanter sein könnte, ihn nicht zu Ende zu erzählen. Ein Lieblings Witz meiner Teenagerjahre endete z.B. so: “Fragt das eine: Wie geht’s denn so? Antwortet das andere: Ach, ganz gut, ich kann schon wieder Uran lassen.” Dies ist eine schlaffe Schlusspointe, aber der Witz Begin war super. “Zwei Atomkraftwerke, von denen eines lange krank war, sitzen im Baum und stricken.” Sagt das Publikum: “Wenn man schlechte, alte Witze verkehrt herum erzählt bekommt, wird einem schlecht.” Entschuldigung, mach ich nie wieder.
Vor einiger Zeit entdeckte ich in einem Abreisskalender einen Witz, der mich fesselte: ”Zwei Möbelpacker, von denen einer für klassische Musik schwärmt, schleppen ein Klavier ein Hochhaus hinauf. Oben keucht der der eine zum andern: Na, was denkst du jetzt über Beethoven?”
Statt nachzudenken, warum ich gerade diesen Witz gut finde, gab ich meiner Freude Ausdruck, indem ich eine Reihe von Variationen des Witzes schrieb, von denen ich nun einige dem Unverständnis möglichst weniger und der Ergötzung hoffentlich mancher preisgeben möchte.
1. Zwei Möbelpacker, von denen einer für Kernspaltung schwärmt, schleppen eine Atomreaktor ein Hochhaus hinauf. Oben keucht der eine zum andern: Na, was hältst du jetzt von Otto Hahn?
2. Zwei Möbelpacker, von denen keiner für Vitamin C schwärmt, schleppen eine erkältete Frau ein Hochhaus hinauf. Oben hustet der eine zum anderen: Na, was halten wir jetzt von Vitamin C?
3. Zwei Frauen, von denen eine schwanger ist, schleppen einen Gynäkologen ein Hochhaus hinauf. Oben keucht die eine zur anderen: Na, was hältst du jetzt vom Bungalowlesbianismus?
4. Zwei Möbelpacker, von denen einer eine Fahrstuhlphobie hat, schleppen ein Klavier das Empire State Building hinauf. Oben keucht derjenige ohne Phobie. Ich krankhafter Toleranzler.
5. Drei bettlägerige ukrainische Tingeltangeltänzerinnen, von denen eine für ukrainische Folklore schwärmt, liegen auf einer französischen Liege und lesen Ernst Bloch. Da schläft die mittlere ein und schnarcht wie ein Rohrspatz. Sagt die erste zur dritten: Na, und was hältst du jetzt von ukrainischer Folklore? Antwortet die dritte: Gar nichts. Wacht die mittlere auf und meint: Das ist gar nichts dagegen, was ich von Ernst Bloch halte.
6. Eine unbestimmte Menge von Möbelpackern, von denen ein gewisser Prozentsatz für unverständliche Bahnhofsdurchsagen schwärmt, schleppen einen lispelnden Bahnhofsvorsteher durch eine Bahnhofshalle einer nicht erwähnenswerten Nullachtfünfzehnstadt.
7. Zwei Konzertpianisten, von denen einer für Möbelpacker schwärmt, schleppen ein Klavier in einen Konzertsaal. Dort keucht der eine zum anderen: Ich schwärme jetzt auch für Möbelpacker.
8. Zwei Möbelpacker, von denen einer für Bergsteigerei-Videos schwärmt, tragen einen Korbsessel in eine Parterrewohnung. Darin sitzt Reinhold Messner und zieht sich Möbelpacker-Videos rein. Keuchen die beiden Möbelpacker: Das kommt etwas unerwartet.
9. Zwei Lungenkranke schleppen eine eiserne Lunge ein Hochhaus hinauf. Oben keucht der eine zum anderen: Verdammt, ich habe meine Zigaretten im Auto liegen gelassen
10. Zwei oder drei Sexmonster stehen an einer Imbissbude und lesen einen fragmentarischen Roman.
11. Zwei Lesben, die eine Verehrerin von Beethoven, die andere jedoch erschöpft und stark erkältet, schleppen sich in einen Beethoven-Abend. Während des Konzerts keucht und hustet die eine. Neben ihr sitzen zwei Möbelpacker, von denen der eine für Beethoven schwärmt, und dieser sagt zu der erkälteten Lesbe: Können sie nicht draussen husten? Meint die Lesbe: Ich bin zu erschöpft zum Rausgehen. Da trägt der Möbelpacker die Lesbe hinaus. Als er zurückkommt, keucht er. Meint sein Freund: Kannst du nicht draussen keuchen? Sagt der andere: Ich bin zu erschöpft. Die Lesbe war so dick. Darauf trägt der andere Möbelpacker den keuchenden hinaus. Die Lesbe, die von diesem hinausgeschleppt wurde, hat die Szene vom Hintergrund aus beobachtet und stiehlt sich an ihren Platz zurück. Von Erkältung keine Spur mehr. Sagt die eine: Das war wirklich ein guter Trick, um diese beiden Macker loszuwerden. Nach dem Konzert begegnen die beiden Frauen den Möbelpackern auf der Strasse. Meint der eine: Nanu, sie husten ja gar nicht mehr. Meint die Lesbe: Tja, die heilende Wirkung von Musik. Meint derjenige Möbelpacker, der sowieso schon für Beethoven schwärmt, triumphierend zu seinem Freund: Na, was denkst du jetzt über Beethoven?
12. Zwei Esel schleppen einen schweren Sack Disteln das World Trade Center hoch. Oben der eine: Die hätten wir ja auch unten essen können.
Der Text stammt von Max Goldt und ist zum Beispiel auf dem Hörbuch „CD mit dem Kaffeeringecover„ enthalten. Selbstverständlich gibt es von Max Goldt auch viele Bücher, doch wenn der Autor persönlich liest, finde ich es noch eine Spur besser. Hier eine Hörprobe.